Text: Katinka Landgraf
In den Sommerferien 2019 haben sich Jonathan, Albert, Georg, Malte, Mika, Thyl und Katinka vom 15.7. bis zum 24.7. ihre Wanderrucksäcke übergeworfen, um sich in irgendwelchen Gebüschen in den slowenischen Bergen rumzutreiben. Dabei haben sie sich gründlich von Mücken aussaugen lassen, waren in Slowenien und Italien gleichzeitig, haben dem Fettbrand auf ihrem Trangia beim atmosphärischen Sonnenuntergang zugeschaut und haben unter dem Sternenhimmel gezeltet und das slowenische Schlagerkonzert in der Nähe genossen. Die Dusche danach war für alle beteiligten ein Traum und die komischen Blicke haben sie gewissenhaft ignoriert, als sie vor dem Feuer verboten Schild ihr essen gekocht haben.
Im Gesamten gab es Höhen und Tiefen; Unwetter, Verlaufen, Verletzungen, Muskelschmerzen, Blasen, die Sehnsucht nach dem gewohnten Komfort, Zecken usw., aber dann auch wiederum die Geselligkeit innerhalb der Gruppe, die Natur und die Aussicht, das Baden in Flüssen, generell Essen, der Abstand zum Alltag und zum Teil zur Zivilisation, das schlafen Legen, die Zeit nachzudenken und nichts zu denken, die Erfolgserlebnisse und Kartenspiele. Und als Ergebnis ein ganzes A5 Heft mit Tagebucheinträgen.
18.7. Nachmittags
Alle Wesen, die im Himmel existieren, müssten gerade chronisch am Pissen sein, damit sich diese Menge an Wasser summiert, die die letzten Stunden runtergekommen ist. Ich sitze auf meiner unaufgeblasenen Isomatte, die vermutlich letzte Nacht ein Loch bekommen hat, im Heu und habe keine trockenen Socken, kein trockenes Shirt, keinen trockenen BH und eine Regenjacke, die man auswringen kann. Das positive ist, dass ich im trockenen Sitze. Vor ein paar Minuten haben wir einen kleinen verlassenen Heuschuppen als Unterschlupf entdeckt und hier unter dem Dach wirken das laute Donnergrollen und die vielen Blitze nicht mehr so bedrohlich. Wir sind quasi verloren in den slowenischen Bergen, gefangen in den Launen der Natur und in einem verlassenen Schuppen. Ohne Internet und keinem konkreten Plan, wo wir uns auf der Karte befinden. Also genau die Herausforderungen, die man mit einer Wanderung provozieren möchte.
Wir sitzen in einer Landschaft aus Isomatten, Rucksäcken, durchnässten Schuhen und Heu. Ein riesen Mobile aus nassen Klamotten breitet sich über unseren Köpfen aus und in wenigen Minuten wird der Duft von Reis mit Scheiß die zerfallene aber dicht haltende Hütte durchdringen.
Während die anderen sich irgendeine Fleisch-Schmalz-Paste mit Brot als Vorspeise reinstopfen und ich die bescheidenere Version in Form eines Käsebrotes in meiner linken Hand halte, werde ich vom heutigen Tag berichten.
Gerade geht die Schokolade rum und der Streit um das letzte Stück beginnt:
Die Fahrtenleitung (Jonathan) sagt, der, der erfolgreich die Karte zusammenlegt, bekommt das Stück. Nun wird Mika für seinen Versuch, die Karte zusammenzulegen, fertiggemacht. Georg übernimmt das Zusammenlegen und Albert isst das letzte Stück.
Erstaunlich wie sich die Prioritäten auf Wanderungen verschieben.
Der Tag begann mit 24% Regenchance und der morgendlichen Routine vom Zusammenpacken. Obwohl der Fluss nicht fern war, kam ich nicht umhin mir die Zeit für eine kleine Katzenwäsche, meine Füße mit inbegriffen, zu nehmen. Danach fühlen sich meine Füße etwas luftiger an und der Schweißgeruch hing nicht mehr ganz so penetrant an mir.
Als alles gepackt, alle Zöpfe geflochten und alle Rucksäcke fast den Berg heruntergerollt waren (Albert) gingen wir los.
Der Weg verlief bergab und mein Arsch und meine Beine gaben mir eindeutig zu verstehen, dass die Regenerationszeit von einer Nacht nicht ausreichten. Es war heiß, die Sonne schien und auf dem Weg machten wir eine Pause zum eincremen. Nach der dritten Ortschaft fanden wir dann auch endlich den Supermarkt, sodass Albert, Jonathan und ich neue Kilos für unsere Rucksäcke und Mägen besorgen konnten. Ich verstand die Waage dort nicht, Albert lachte mich aus und wir kauften 30 Eier.
Die 30 Eier wurden den kurzen Weg zum Fluss geschleppt, um dort aus ihnen Rührei zu machen.
Das Wetter war super und wir winkten den Kanu- und Bootsfahrern zu, als wir unser erstes Bad nach über 58 Stunden Schweiß, Sonnencreme, Zeckenschutz, Dreck und noch mehr Schweiß nahmen. Es war traumhaft. Umgeben von frisch gewaschenen Klamotten und trocknenden Kotenplanen und gebadet vom Flusswasser genossen wir ein Festmahl als Frühstück. Rührei, Aufstriche, Käse (diesmal nicht der billige Ja-Käse) und die eklige Fleisch-Schmalz-Paste wurde in unseren Mündern zu magenfreundlicher Speichelflüssigkeit zermampft.
Währenddessen schien uns die Sonne die Köpfe ein und wir ahnten noch nicht, was uns die nächsten Stunden erwarten würde.
Es begann mit einem harmlosen Donnergrollen und einigen Blitzen am Himmel. Das veranlasste uns dazu, schnell zusammenzupacken, unsere Regensachen bereitzulegen und unsere gewaschenen Klamotten trotz Nässe einzupacken. Dennoch belächelten wir das nahende Ungeheuer am Himmel. Und auch als es zu nieseln anfing, zögerten wir mit unseren Regenjacken.
Der Regen holte uns schnell ein und nahm uns die Entscheidung ab. Bald schüttete es und wir standen unter Wasser. Nach einer Weile klebte der Ärmel meiner vermeintlichen Regenjacke klitschnass an meinem Arm und weichte mir die Haut auf. Und nach einer ganzen Weile spürte ich ein sehr charakteristisches „Watsch“ in meinen Schuhen. Meine Füße verwandelten sich langsam aber sicher in einen Saugnapf. Jonathan war meiner Ansicht nach der lauteste wandelnde Saugnapf, da man ihn bereits von zwanzig Metern Entfernung anmaschieren hörte, bis er dann mit einem lauten Schmatzen an einem vorbei zog. Thyls Füße hingegen blieben absolut trocken.
Neben dem See, der sich in meinen Wasserfesten Schuhen bildete, schien meine Hüfte sich mit dem Rucksackgewicht nicht ganz zufrieden zu geben. Ein stetig anschwellender Schmerz in Rücken- und Nierenbereich brachte mich dazu, das zusätzlich Kilo Reis und die vollen Wasserflaschen zu beiden Seiten nochmal zu überdenken. Letztendlich fragte ich Georg, ob er mir etwas von dem Gewicht abnehmen könne.
Wir verschafften uns etwas Vorsprung von den Regenwolken, die uns dicht auf den Fersen verfolgten, weshalb wir uns eine kurze Pause erlaubten. Ich wrang meine Regenjacke aus, hängte sie an meinen Rucksack, zog mein letztes trockenes Shirt an und meinen letzten Regenschutz in Form von einem Billo-Regencape über. Dann gab ich Georg meine Heringe, die er dann auf die Gruppe aufteilte und grub die Reispackung aus den Tiefen meines Rucksacks aus.
Der Regen hatte den Boden rutschig gemacht und so zeigte Malte sich dem Boden sehr innig gegenüber und verlagerte sein Körpergewicht in die Horizontale.
So verfolgte uns den folgenden Weg über die Sorge um Maltes Ellenbogem.
Der Regen holte uns ein und wir liefen weiter. In der rechten Hand die Ukulele und in der linken Hand ein Kilo Reis stampfte ich im Rhythmus des Schmatzens meiner Schuhe durch den Regen. Zum Glück dauerte es nicht lange und nachdem mir ein dunkles hüttenahnliches Gebilde amWegesrand aufgefallen war rief ich: „Ein Unterschlupf!“.
So kamen wir zum Heuschuppen, in dem wir gerade Gemüse schneiden und den Regen mit Pfadfinderliedern wegsingen.